Predigt für den 5. April, Palmsonntag von Pastorin Susanne Lehmann

Evangelium Joh. 12,12 -19:

 

Als am nächsten Tag die große Menge, die aufs Fest gekommen war, hörte, dass Jesus nach Jerusalem käme, nahmen sie Palmzweige und gingen hinaus ihm entgegen und riefen: Hosianna! Gelobt sei, der da kommt in dem Namen des Herren, der König von Israel!

Jesus aber fand einen jungen Esel und ritt darauf, wie geschrieben steht (Sacharja 9,9): „Fürchte dich nicht, du Tochter Zion! Siehe, dein König kommt und reitet auf einem Eselsfüllen.“ Das verstanden seine Jünger zuerst nicht; doch als Jesus verherrlicht war, da dachten sie daran, dass dies von ihm geschrieben stand und man so mit ihm getan hatte.

Das Volk aber, das bei ihm war, als er Lazarus aus dem Grabe rief und von den Toten auferweckte, rühmte die Tat.

Darum ging ihm auch die Menge entgegen, weil sie hörte, er habe dieses Zeichen getan.

Die Pharisäer aber sprachen untereinander: Ihr seht, dass ihr nichts ausrichtet; siehe, alle Welt läuft ihm nach.

 

Liebe Leserin, lieber Leser!

 

Es sollte ein Familiengottesdienst werden mit dem Kindergarten. Wie gerne hätte ich dieses Fest am Palmsonntag im Gottesdienst gefeiert. Alt und Jung, Kinder und Eltern, Erzieher und Erzieherinnen, alle zusammen. Die Kinder wären mit Palmzweigen in die Kirche eingezogen, wir hätten schöne Lieder gesungen, die oben stehende Bibelgeschichte nacherzählt und nachgestellt, der Esel hätte vielleicht einen besonderen Platz in der Erzählung bekommen, weil er die Last trägt. Wir hätten unsere eigenen Lasten benannt als Aktion im Gottesdienst. Hinterher hätte es Marmeladenbrote gegeben. Eine runde Sache.

Nun ist alles anders. Dieser festliche und fröhliche Gottesdienst fällt aus. Wie schade!

 

Es fallen so viele Feste aus, praktisch alle. Taufen sind auf unbestimmte Zeit verschoben, Hochzeitspaare bangen um ihren Termin, all die Familientreffen, die Ostern geplant waren, die nicht stattfinden können, das ist wirklich hart: all das, was Sie und unzählige Menschen geplant hatten, gerade das Festliche, Gemeinschaftliche, findet nicht statt.

 

II.

Was hat mir oder Ihnen angesichts dieser Härte ein so festlicher Text wie der vom Einzug Jesu in Jerusalem zu sagen? Es gibt an diesem Palmsonntag keine jubelnde und dieses Ereignis nachfeiernde Menschenmenge.

Diese Bibelgeschichte macht mich deshalb dieses Mal eher traurig, denn der Jubel und das Fest fällt aus. Ich hätte so gern „Tochter Zion“ gesungen, gemeinsam. Und bis Ostern geguckt: Sogar die Bildzeitung hat schon getitelt: Ostern fällt aus.

 

Mir ist als Glaubende um Ostern, um das Geschehen in der Karwoche, Gründonnerstag, Karfreitag und Ostern mit der Auferstehung, nicht bange. Karfreitag als Sinnbild unserer eigenen Vergänglichkeit, unserer Not, der menschlichen Not, gespiegelt in Jesus Christus am Kreuz, das ist mir womöglich in diesem Jahr vielleicht sogar näher, es werden vielleicht Menschen in diesem Jahr sogar leichter verstehen als sonst. Auch wenn so ein Gedanke mir einen Schreck in die Glieder fahren lassen kann, weil es einem wirklich leid tun kann für all die Entbehrenden. Die Auferstehung wiederum an Ostern: das ist das Wunder, dass es weitergeht, dass Gott Hoffnung in das Herz der Menschen gelegt hat, so dass es ein „danach“ gibt. Der Glaube, dass Gott es gut mit uns Menschen meint, dass er dem Tod und dem Leiden nicht das letzte Wort lässt. Wir sollen, besser dürfen verstehen, dass wir auch im Leiden und im Schweren begleitet sind von Gott. Immer wieder. Dass Gott diese Kraft zum Leben gibt, dass Gott da ist, wo auch immer wir gerade sind.

 

III.

Um die fröhlichen Feste ist mir bange bzw. ich muss sogar registrieren, wie sonst geht es nicht in diesem Jahr, mindestens noch einige Zeit. Um die Fröhlichkeit von uns allen ist mir bange.

Was also nun? Was also stattdessen? Zurückgeworfen in die kleinste Gruppe der Familie, vielleicht allein geht es dieses Mal in diese Karwoche, durch die Karwoche bis zu Ostern (und darüber hinaus).

 

Wenn ich mich, Sie sich, Menschen auf diese Zeit einlassen und die erste Trauer überwinden, dann wird auch in diesem Jahr Ostern stattfinden. Gott wird es sowieso stattfinden lassen, für uns. Die Bildzeitung irrt, Ostern fällt nicht aus. Aber es ist wirklich sehr vieles anders.

 

Wenn ich mich umhöre, dann planen nun fast alle Menschen rundherum ihr verändertes Osterfest. Wie machen wir es in diesem Jahr? Wie gestalte ich es für mich? Da gibt es dann plötzlich doch viele Ideen. Oder man hält an bewährten Bräuchen fest, nur eben kleiner oder auch einmal ganz für sich.

 

Die Erzieherinnen und Erzieher vom Kindergarten haben kleine Ostertaschen gepackt für die Kinder. Sie werden verschickt. Sie betonen die Verbundenheit der Menschen, die sich jetzt nicht sehen können. Es gibt Briefe als neu-alter Kontaktweg, es gibt die Hoffnungsleine an der Kirche, es gibt ein Hoffnungsbeet; es wird um die Kirche und das Gemeindehaus herum ab Gründonnerstag bis Ostern einen Kreuzweg geben, den Sie, immer die Abstandsregeln einhaltend, begehen können, wenn es Ihnen passt, mit und ohne Ihre Kinder.

 

IV.

Das Gemeinschaftliche am Fest, an jedem Fest, das geplant war und nun nicht stattfinden kann, wird einem fehlen, ja! Es wird schmerzen, ja! Es schmerzt mich jetzt schon, die ich gar nicht so viel gemeinsam feiere, und es schmerzt mich vor allen Dingen für all die, die wichtige, schwer verschiebbare Festlichkeiten geplant haben.

Und doch kommt auch in diesem Jahr sinnbildlich Jesus am Palmsonntag nach Jerusalem, und es ist auch uns gesagt: „Fürchte dich nicht, du Tochter Zion! Siehe, dein König kommt und reitet auf einem Eselsfüllen.“

 

Jesus, dieser besondere König, kommt sowieso immer anders als wir es von Königen gewohnt sind. Warum nicht auch in diesem Jahr?

 

Wir Christen und Christinnen gehen in die Karwoche. Wir können neben den Angeboten der Gemeinde, des Fernsehens und der Medien, wenn wir wollen auch die mehr vereinzelten christlichen Formen wiederentdecken: die Stille des Karfreitags, die es früher mehr gab; meditative Formen, Bibellese, Schweigen, Spirituelles; wir können uns selber dabei einmal anders entdecken. Auch wenn gerade noch mehr Stille vielleicht schwer zu ertragen ist, es mag einmal eine Erfahrung sein, und einen dankbar machen für all die Zeit, die dann doch gefüllt ist. Und vielleicht werden wir Gott entdecken, dort am Kreuz in Jesus Christus. Vielleicht werden wir dabei all die Menschen entdecken, die in viel mehr Not sind als ich selber. All die, die um das Leben kämpfen für sich, für andere. Die dies in Hoffnung tun. Die, die scheitern und die, denen es gelingt.

 

Wir können im Vertrauen auf Gott Neues an Ostern erhoffen. Das wird so geschehen.

 

Wenn möglich, lassen Sie uns untereinander von unseren Karwochen- und Ostererlebnissen in diesem Jahr erzählen und so die Verbundenheit stärken. Ich bin nun selber einigermaßen gespannt, was ich, allein und mit denen, mit denen ich in dieser Zeit noch kommunizieren kann, in diesen Ostertagen erlebe.

Lassen Sie uns im Gebet verbunden bleiben besonders für die, die schweres Leiden durchstehen müssen in dieser Zeit. Amen.

 

 

 

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